VdS 2023 (Brandschutz in elektrischen Anlagen)

In der industriellen wie gewerblichen Praxis spielt der Brandschutz eine zentrale Rolle – insbesondere im Zusammenhang mit elektrischen Anlagen. Brände, die durch elektrische Fehler entstehen, zählen seit Jahrzehnten zu den häufigsten Brandursachen in Betrieben. Die VdS-Richtlinie 2023 der VdS Schadenverhütung GmbH stellt in diesem Zusammenhang ein bewährtes technisches Regelwerk dar, das fundierte Anforderungen an Planung, Errichtung, Betrieb und Instandhaltung elektrischer Anlagen unter dem Gesichtspunkt des Brandschutzes formuliert.

Als besonders praxisnahe und versicherungsseitig anerkannte Richtlinie bildet die VdS 2023 eine essenzielle Grundlage für Elektrofachkräfte, Betreiber technischer Anlagen, Brandschutzbeauftragte sowie für Prüforganisationen und Sachverständige.

 

Grundlagen und Zielsetzung der VdS 2023

Die VdS 2023 trägt den vollständigen Titel:

„Elektrische Anlagen in Betriebsmitteln und Gebäuden – Anforderungen an den Brandschutz“

Sie wurde mit dem Ziel entwickelt, Risiken zu minimieren, die aus der Errichtung, dem Betrieb oder der Alterung elektrischer Anlagen resultieren. Im Zentrum steht die Vermeidung von Bränden, die durch elektrische Energie verursacht oder begünstigt werden. Dabei werden insbesondere Gefahren durch:

  • Lichtbögen

  • Überlastungen

  • Isolationsfehler

  • Überspannungen

  • mangelhafte Wartung

berücksichtigt.

Die Richtlinie ist eine Ergänzung zur DIN VDE 0100 und anderen elektrotechnischen Normen, setzt aber einen konsequent brandschutztechnischen Fokus. Wo DIN-Normen oft auf den Schutz von Personen vor elektrischem Schlag ausgerichtet sind, zielt die VdS 2023 klar auf den Schutz von Sachwerten und Betriebsabläufen vor Brandereignissen.

 

Anwendungsbereich der VdS 2023

Die VdS 2023 richtet sich an alle elektrischen Anlagen in:

  • Gewerbe- und Industriebauten

  • Verwaltungsgebäuden

  • Lager- und Logistikzentren

  • Sonderbauten wie Rechenzentren, Kliniken, Flughäfen

  • explosionsgefährdeten Bereichen (z. B. chemische Industrie)

Sie kann sowohl für Neuplanungen als auch für die Überprüfung und Optimierung bestehender Installationen herangezogen werden. Auch Anlagen, die nicht VDE-konform sind, können durch Umsetzung der VdS 2023 in einen brandschutztechnisch sichereren Zustand überführt werden.

 

Wesentliche Inhalte der VdS 2023

Die VdS 2023 ist modular aufgebaut und umfasst mehrere thematische Schwerpunkte, die in Kombination die brandsichere elektrische Infrastruktur sicherstellen sollen. Zu den zentralen Themenfeldern zählen:

1. Planung und Ausführung

  • Auswahl geeigneter Betriebsmittel nach Umgebungseinflüssen (Feuchtigkeit, Staub, Hitze)

  • Vermeidung von Überlastungen (richtige Absicherung und Dimensionierung)

  • Trennung von Stromkreisen mit unterschiedlichen Schutzzwecken

  • Leitungsverlegung außerhalb brennbarer Materialien oder mit feuerhemmenden Kabeltrassen

  • Berücksichtigung der Brandschottung bei Wand- und Deckendurchführungen

2. Absicherung von Schaltanlagen und Verteilerkästen

  • Verwendung brandsicherer Gehäuse (z. B. Stahlblech, feuerhemmende Kunststoffe)

  • Vermeidung offener Klemmen und unsachgemäßer Verdrahtung

  • Schutz gegen Eindringen von Staub, Feuchtigkeit, Insekten

  • Integration von Temperatur- oder Lichtbogenüberwachungssystemen

3. Zustandsprüfung und Instandhaltung

  • Verpflichtende visuelle und messtechnische Kontrollen in festen Intervallen

  • Dokumentation der Prüfergebnisse (z. B. Isolationswerte, thermografische Aufnahmen)

  • Erkennung und Beseitigung altersbedingter Mängel (z. B. Versprödung von Leitungen)

  • Verpflichtung zur regelmäßigen Schulung des Prüfpersonals

4. Betrieb und Nutzung

  • Schutz gegen unsachgemäße Nutzung (z. B. keine provisorischen Stromabgriffe)

  • Kontrolle von Elektroinstallationen in Bürobereichen und Lagerflächen

  • Vermeidung von Überbelegung von Steckdosenleisten

  • Brandschutzunterweisung der Mitarbeitenden

5. Lichtbogen- und Temperaturüberwachung

  • Einsatz von Lichtbogendetektoren in Schaltschränken

  • Installation von thermischen Überwachungssystemen, insbesondere bei Hochstromschienen

  • Integration in das Brandmeldesystem oder eigenständige Abschalteinrichtungen

6. Zusätzliche Brandschutzmaßnahmen

  • automatische Löschsysteme für Schaltschränke (z. B. AMFE Pro Cert, AeroPro Aerosollöschung)

  • Löschmittelverträglichkeit mit elektrischen Betriebsmitteln

  • sicherheitsgerichtete Abschaltungen bei Überschreitung von Grenzwerten

  • Potentialausgleich und Erdungskonzepte zur Vermeidung von Störlichtbögen

 

Bedeutung für Betreiber, Versicherer und Behörden

Die Umsetzung der VdS 2023 ist nicht gesetzlich verpflichtend, sie gilt jedoch als anerkannter Stand der Technik. Im Falle eines Brandereignisses kann die Einhaltung der Richtlinie durch:

  • Versicherer positiv bei der Schadensregulierung berücksichtigt werden

  • Behörden als Argument für ordnungsgemäßen Anlagenbetrieb dienen

  • Sachverständige und Prüforganisationen als Prüfkriterium genutzt werden

Darüber hinaus nutzen viele Feuerwehren und Brandschutzplaner die VdS-Richtlinie als Bewertungsgrundlage für den baulichen und technischen Brandschutz.

Die VdS 2023 schafft auch klare Schnittstellen zu anderen Regelwerken, etwa:

  • DIN VDE 0100-420 (Schutz gegen thermische Auswirkungen)

  • DIN VDE 0105-100 (Betrieb elektrischer Anlagen)

  • ASR A2.2 (Maßnahmen gegen Brände)

  • DIN EN 50678 / 50699 (Wiederholungsprüfungen)

  • TRBS 1201 (Prüfung technischer Arbeitsmittel)

 

Beispielhafte Maßnahmen aus der Praxis

Zur Verdeutlichung der praktischen Umsetzung der VdS 2023 hier einige typische Maßnahmen in Betrieben:

  • Lagerhalle mit Fördertechnik: Alle Verteilerschränke sind in Stahlblechgehäusen ausgeführt, mit Brandschutzkennzeichnung und klar definierter Abschaltmöglichkeit. Temperaturfühler erfassen Hitzeentwicklung an Hauptstromschienen.

  • Rechenzentrum: USV- und Verteilerschränke verfügen über integrierte Aerosollöschsysteme. Die Stromkreise sind über Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen gesichert. Thermografie wird halbjährlich durchgeführt.

  • Industriebetrieb mit hoher Maschinenlast: Bei allen frequenzgesteuerten Motoren sind EMV-gerechte Filter eingebaut, um Überspannungen zu vermeiden. Sammelstromschienen in Werkshallen verfügen über Brandschottungen bei Wanddurchdringungen.

 

Vorteile bei Umsetzung der VdS 2023

Die konsequente Anwendung der VdS 2023 bringt zahlreiche Vorteile für Unternehmen:

  • Minimierung des Brandrisikos durch elektrische Fehler

  • Erhöhung der Betriebssicherheit und Verfügbarkeit technischer Anlagen

  • Reduzierung von Haftungsrisiken für Betreiber und Geschäftsführer

  • Verbesserung der Versicherbarkeit (z. B. durch VdS-Zertifizierung)

  • Nachweisbarkeit sicherer Zustände bei Prüfungen durch Sachverständige

  • Verbesserung des internen Risikomanagements

 

Fazit

Die VdS-Richtlinie 2023 ist weit mehr als eine technische Empfehlung – sie ist ein praxisorientiertes Werkzeug für den präventiven Brandschutz in elektrischen Anlagen. Ihre Anwendung hilft nicht nur, Vorschriften einzuhalten, sondern vor allem, Brände zu vermeiden, Produktionsstillstände zu verhindern und Mensch und Sachwerte zu schützen.

In einer Zeit, in der technische Infrastrukturen immer komplexer werden und gleichzeitig Anforderungen an Sicherheit, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit steigen, bietet die VdS 2023 klare, nachvollziehbare und praxisnahe Standards.

Unternehmen, die ihre elektrischen Anlagen regelmäßig auf Basis dieser Richtlinie überprüfen und optimieren, investieren nicht nur in den Schutz ihrer Werte, sondern auch in die langfristige Stabilität ihrer betrieblichen Abläufe. In vielen Fällen kann dies den entscheidenden Unterschied ausmachen – nicht nur im Ernstfall.

Zum Glossar