Gefährdungs- und Risikoanalyse (HARA) & Brandschutz

Die Gefährdungs- und Risikoanalyse (HARA) ist ein essenzieller Bestandteil der funktionalen Sicherheit und findet Anwendung in der Automobilindustrie, insbesondere im Rahmen der ISO 26262. Sie dient der systematischen Identifikation, Bewertung und Kontrolle potenzieller Gefährdungen, die durch Fehlfunktionen von Systemen entstehen können. Im Kontext des Brandschutzes nimmt HARA eine zentrale Rolle ein, da sie dazu beiträgt, thermische und elektrische Risiken frühzeitig zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen zu planen.

 

Grundlagen der HARA

Die HARA verfolgt das Ziel, Sicherheitsanforderungen abzuleiten, indem Risiken in Bezug auf ihre Schwere, Wahrscheinlichkeit und Kontrollierbarkeit bewertet werden. Dies geschieht in mehreren Schritten:

1. Gefährdungsidentifikation:

  • Identifikation von Gefährdungen, die durch das System oder dessen Fehlfunktionen entstehen können.

  • Beispiel: Überhitzung eines Batteriesystems oder Kurzschluss in der Elektrik.

2. Risikobewertung:

  • Einschätzung der Risiken basierend auf:

    • Schweregrad (Severity, S): Wie gravierend sind die Auswirkungen der Gefährdung?

    • Expositionswahrscheinlichkeit (Exposure, E): Wie häufig tritt die gefährliche Situation auf?

    • Kontrollierbarkeit (Controllability, C): Wie leicht kann die Situation vom Fahrer kontrolliert werden?

3. Festlegung der Sicherheitsanforderungen:

  • Definition von Maßnahmen zur Vermeidung oder Minimierung der Risiken.

 

Zusammenhang zwischen HARA und Brandschutz

Die Gefährdungs- und Risikoanalyse ist eng mit dem Brandschutz verknüpft, da viele sicherheitskritische Systeme in Fahrzeugen potenzielle Brandgefahren bergen. Der Zusammenhang zeigt sich insbesondere in den folgenden Bereichen:

1. Batteriesysteme in Elektro- und Hybridfahrzeugen

  • Gefährdung:

  • Risikobewertung:

    • Analyse der Wahrscheinlichkeit von Überhitzung und deren Auswirkungen.

  • Brandschutzmaßnahmen:

    • Integration von Temperatursensoren, thermischen Abschaltungen und feuerfesten Gehäusen.

2. Elektrische Komponenten und Hochvoltsysteme

  • Gefährdung:

    • Kurzschlüsse, Überlastung oder Isolationsfehler können Brände auslösen.

  • Risikobewertung:

    • Betrachtung von Fehlfunktionen in Hochvoltleitungen oder Stromrichtern.

  • Brandschutzmaßnahmen:

    • Schutzschaltungen, automatische Abschaltmechanismen und die Verwendung feuerfester Materialien.

3. Kraftstoffsysteme

  • Gefährdung:

    • Leckagen in Kraftstoffleitungen oder Fehler in der Einspritzanlage.

  • Risikobewertung:

    • Analyse der Wahrscheinlichkeit von Kraftstoffentzündungen.

  • Brandschutzmaßnahmen:

    • Einsatz von druckbeständigen Leitungen und Brandschutzsensorik.

4. Thermische Sicherheit von Abgasanlagen

  • Gefährdung:

    • Überhitzung oder Kontakt mit brennbaren Materialien.

  • Risikobewertung:

    • Untersuchung der Temperaturentwicklung unter Lastbedingungen.

  • Brandschutzmaßnahmen:

    • Verwendung hitzebeständiger Materialien und Wärmeisolierungen.

 

Durchführung der HARA im Kontext Brandschutz

Schritt 1: Analyse der Systemgrenzen

  • Definition des Systems und der zu analysierenden Komponenten, z. B. Batteriesystem, Hochvoltleitungen.

Schritt 2: Identifikation von Gefährdungen

  • Identifikation potenzieller Szenarien, in denen Brandschutzrisiken auftreten können.

Schritt 3: Risikobewertung

  • Bewertung der Risiken basierend auf den Parametern Schweregrad, Exposition und Kontrollierbarkeit.

  • Beispiel:

    • Schweregrad: S3 (lebensbedrohlicher Brand).

    • Exposition: E4 (sehr häufig).

    • Kontrollierbarkeit: C3 (kaum kontrollierbar).

Schritt 4: Ableitung von Sicherheitsmaßnahmen

  • Entwicklung präventiver Maßnahmen, wie die Integration von Brandschutzsystemen.

Schritt 5: Überprüfung und Validierung

  • Überprüfung der Wirksamkeit der definierten Maßnahmen durch Tests und Simulationen.

 

Vorteile der HARA für den Brandschutz

1. Frühzeitige Fehlererkennung:

  • Potenzielle Brandgefahren werden bereits in der Konzeptphase identifiziert.

2. Strukturierte Risikobewertung:

  • Systematische Analyse erhöht die Nachvollziehbarkeit und Effizienz.

3. Erhöhte Sicherheit:

  • Reduktion der Brandrisiken durch präventive Maßnahmen.

4. Normenkonformität:

  • Einhaltung von ISO 26262 und anderen relevanten Sicherheitsnormen.

 

Herausforderungen bei der Umsetzung

1. Komplexität moderner Fahrzeuge:

  • Viele Systeme und deren Interaktionen müssen berücksichtigt werden.

2. Kostenaufwand:

  • Durchführung einer umfassenden HARA ist ressourcenintensiv.

3. Datenverfügbarkeit:

  • Notwendigkeit genauer Daten über Materialeigenschaften und Systemverhalten.

 

Fazit

Die Gefährdungs- und Risikoanalyse (HARA) ist ein unverzichtbares Werkzeug zur Bewertung und Minimierung von Risiken in sicherheitskritischen Systemen. Im Zusammenhang mit dem Brandschutz ermöglicht HARA die frühzeitige Identifikation potenzieller Brandgefahren und die Implementierung geeigneter Schutzmaßnahmen. Damit trägt sie maßgeblich zur Sicherheit von Fahrzeugen und deren Insassen bei.

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