Mit der zunehmenden Komplexität technischer Gebäudeausrüstung (TGA) und der Verschärfung gesetzlicher Anforderungen an die Betreiberverantwortung gewinnt die strukturierte Organisation von Betrieb, Wartung und Instandhaltung technischer Anlagen immer mehr an Bedeutung. Neben der bekannten Richtlinie VDMA 24186, die sich vorrangig mit Wartungsleistungen beschäftigt, tritt in den letzten Jahren verstärkt die VDMA 24991 in den Fokus. Diese vergleichsweise neue Richtlinie erweitert das Leistungsbild und bietet eine systematische Grundlage für die Wahrnehmung der Betreiberverantwortung im Bereich der Gebäudetechnik.
Im Folgenden wird die VDMA 24991 umfassend erläutert – von ihrer Entstehung über Aufbau und Inhalte bis hin zu ihrer praktischen Relevanz für Betreiber, Facility Manager und Dienstleister.
Betreiber technischer Gebäudeanlagen stehen in der Pflicht, eine Vielzahl gesetzlicher und normativer Anforderungen zu erfüllen. Dies betrifft nicht nur die technische Funktionsfähigkeit der Anlagen, sondern insbesondere auch deren Betriebssicherheit, Energieeffizienz, Umweltverträglichkeit sowie den Schutz von Personen. Die rechtlichen Grundlagen dafür finden sich in Gesetzen wie der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), der DGUV Vorschrift 3, dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG), der Energieeinsparverordnung (EnEV) bzw. dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) und vielen weiteren Vorschriften.
Diese komplexe Rechtslage stellt hohe Anforderungen an den Betreiber – egal ob öffentlicher Träger, Industriebetrieb oder Immobilienunternehmen. In der Praxis ist jedoch oft unklar, welche konkreten Leistungen zur Wahrnehmung der Betreiberverantwortung erforderlich sind. Es fehlen standardisierte Leistungsbilder, die als Grundlage für Verträge, Ausschreibungen oder interne Organisationen dienen können.
Die VDMA 24991 schließt genau diese Lücke. Sie wurde vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau mit dem Ziel entwickelt, die Betreiberverantwortung in strukturierte, nachvollziehbare und überprüfbare Leistungseinheiten zu überführen. Die Richtlinie richtet sich an alle, die für den Betrieb technischer Anlagen verantwortlich sind – vom Gebäudebetreiber über den Facility-Manager bis hin zum Dienstleister.
Im Zentrum der VDMA 24991 steht die Entwicklung standardisierter Leistungsbilder zur Unterstützung der Betreiberverantwortung. Sie definiert konkrete Aufgaben und Prozesse, die notwendig sind, um technische Anlagen im rechtssicheren und effizienten Betrieb zu halten. Diese Leistungen gehen deutlich über die reine Wartung hinaus und umfassen insbesondere:
Organisation und Dokumentation
Prüf- und Kontrollmaßnahmen
Risikobewertungen
Gefährdungsbeurteilungen
Kommunikation und Schulung
Steuerung und Kontrolle von Dienstleistern
Die Richtlinie soll dabei helfen, Schnittstellen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer klar zu definieren, Verantwortlichkeiten zu regeln und Transparenz zu schaffen. In Ausschreibungen kann sie als Vorlage für Leistungsbeschreibungen dienen. In Betreiberhandbüchern bildet sie eine Orientierung zur Selbstorganisation. Und im Rahmen von Audits oder Zertifizierungen (z. B. ISO 9001, ISO 50001) kann sie als Referenz zur Bewertung herangezogen werden.
Die VDMA 24991 ist in mehrere Kapitel gegliedert, die aufeinander aufbauen und die Anforderungen in verschiedene Ebenen unterteilen. Die zentrale Gliederung erfolgt in sogenannte Leistungspakete, die sich in verschiedene Tätigkeiten und Aufgabengruppen unterteilen lassen.
1. Grundlegende Aufgaben der Betreiberverantwortung
Hier werden grundlegende, allgemein geltende Aufgaben dargestellt, die unabhängig von der konkreten Anlagentechnik relevant sind. Dazu gehören u. a.:
Aufbau eines rechtskonformen Betreiberkonzepts
Erstellung und Pflege eines Anlagenkatasters
Einhaltung gesetzlicher Fristen (Prüfzyklen, Wartungen etc.)
Organisation von Prüfungen durch Sachverständige oder befähigte Personen
Dokumentation und Archivierung von Nachweisen
Aufbau einer Schnittstellenmatrix für interne/externe Dienstleister
2. Technikbezogene Leistungspakete
Diese Leistungspakete beziehen sich auf spezifische Anlagengruppen der technischen Gebäudeausrüstung, z. B.:
Heizungsanlagen
Raumlufttechnische Anlagen
Kälteanlagen
Aufzugsanlagen
Druckluftsysteme
Elektrische Anlagen
Gebäudeautomation
Sicherheits- und Brandmeldeanlagen
Für jede dieser Anlagengruppen definiert die Richtlinie typische Betreiberaufgaben, die nicht nur technische Wartung, sondern auch regelmäßige Prüfungen, organisatorische Maßnahmen, Kontrollen und Risikoanalysen beinhalten. Die Aufgaben werden dabei in Form von Tabellen und standardisierten Beschreibungen aufgelistet.
3. Erweiterte Aufgabenbereiche
Diese umfassen organisatorische Tätigkeiten, wie:
Kommunikation mit Behörden
Sicherstellung von Schulungen und Unterweisungen
Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen
Kontrolle und Dokumentation der Einhaltung von Prüfpflichten
Aufstellung eines Maßnahmeplans bei Abweichungen
Die Richtlinie unterscheidet zudem zwischen Pflichten, die nicht delegierbar sind (z. B. Grundverantwortung für Sicherheit) und solchen, die delegiert werden können, etwa durch Vertragsgestaltung mit externen Dienstleistern.
Die praktische Anwendung der VDMA 24991 bringt zahlreiche Vorteile mit sich:
Rechtssicherheit: Die Richtlinie bietet eine klare Orientierung zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten. Betreiber können nachweisen, dass sie ihrer Verantwortung nachkommen.
Transparenz: Leistungen werden konkret beschrieben und können eindeutig zwischen internen Abteilungen und externen Dienstleistern verteilt werden.
Wirtschaftlichkeit: Durch klare Strukturen wird Doppelarbeit vermieden und die Organisation effizienter.
Vergleichbarkeit: In Ausschreibungen lassen sich Angebote anhand standardisierter Leistungsbilder objektiv vergleichen.
Qualitätsmanagement: Die strukturierte Organisation erleichtert die Einhaltung von ISO-Standards und erhöht die Betriebssicherheit.
Ein Praxisbeispiel: Ein Industrieunternehmen betreibt eine Vielzahl unterschiedlicher TGA-Anlagen und hat die Wartung sowie den Betrieb teilweise an externe Dienstleister ausgelagert. Um sicherzustellen, dass alle relevanten Aufgaben abgedeckt sind und die Betreiberpflichten nicht verletzt werden, nutzt das Unternehmen die VDMA 24991 zur Erstellung eines Betreiberhandbuchs. Darin sind für jede Anlagengruppe die relevanten Aufgaben gelistet, Verantwortlichkeiten definiert und Prüffristen festgelegt. Die internen Prozesse orientieren sich an den standardisierten Leistungspaketen, ebenso wie die Verträge mit den Dienstleistern. Im Falle einer Prüfung durch Aufsichtsbehörden oder im Schadensfall kann das Unternehmen lückenlos dokumentieren, dass die Betreiberverantwortung erfüllt wurde.
Oft wird die VDMA 24991 mit der VDMA 24186 verwechselt. Beide Richtlinien ergänzen sich, verfolgen aber unterschiedliche Ziele:
Merkmal | VDMA 24186 | VDMA 24991 |
---|---|---|
Fokus | Wartungsleistungen | Betreiberverantwortung |
Inhalt | Technisch-fachliche Tätigkeiten an Anlagen | Organisatorische, rechtliche und technische Betreiberpflichten |
Anwendung | Leistungsverzeichnisse für Wartung | Aufbau Betreiberorganisation, Verträge, Verantwortlichkeitsklärung |
Zielgruppe | Wartungsdienstleister, Planer | Betreiber, FM-Unternehmen, Auditoren |
Im Idealfall werden beide Richtlinien gemeinsam angewendet: Die VDMA 24186 zur strukturierten Beschreibung der Wartung – und die VDMA 24991 zur umfassenden Abbildung der Betreiberverantwortung.
Die VDMA 24991 stellt einen zukunftsweisenden Meilenstein für das professionelle Management technischer Gebäudeausrüstung dar. Sie schafft Ordnung und Klarheit in einem Bereich, der bisher oft von Unsicherheit und fehlenden Standards geprägt war. Betreiber erhalten mit ihr ein praktisches Werkzeug zur Organisation ihrer gesetzlichen Pflichten und zur Minimierung von Haftungsrisiken.
Gerade vor dem Hintergrund wachsender Anforderungen an Sicherheit, Nachhaltigkeit und Effizienz sowie steigender Komplexität moderner Gebäude ist ein systematischer Ansatz zur Betreiberverantwortung unverzichtbar. Die VDMA 24991 bietet hierfür eine fundierte, praxisnahe und normübergreifende Grundlage. Wer sie konsequent anwendet, erhöht nicht nur die Rechtssicherheit, sondern auch die Qualität und Wirtschaftlichkeit des Gebäudebetriebs.