VDI 3564 Blatt 1 (Brandschutzempfehlungen für Hochregalanlagen und Lagerlifte)

Moderne Logistikzentren, automatisierte Verteilzentren und industrielle Großlager basieren häufig auf Hochregalanlagen und Lagerliften. Diese Systeme ermöglichen eine platzsparende Lagerung großer Mengen von Gütern und sind essenziell für effiziente Betriebsabläufe. Allerdings bergen sie auch erhebliche Brandrisiken. Die VDI 3564 Blatt 1 liefert in diesem Zusammenhang praxisorientierte Empfehlungen für den Brandschutz in Hochregalanlagen und – sofern sinngemäß übertragbar – auch für Lagerlifte. Ziel der Richtlinie ist es, ein hohes Maß an Sicherheit für Menschen, Sachwerte und Betriebsabläufe zu gewährleisten.

 

Bedeutung von Hochregalanlagen und Lagerliften

Hochregalanlagen sind automatisierte oder manuell betriebene Regalsysteme mit einer typischen Höhe ab neun Metern. Sie werden für die Lagerung von Paletten, Behältern oder Kleinteilen eingesetzt und sind meist in geschlossenen Gebäuden oder speziell errichteten Lagerhallen untergebracht. Lagerlifte – auch bekannt als Vertikallifte oder automatische Lifttürme – gehören zur Kategorie der automatisierten Kleinteilelager und dienen der vertikalen Lagerung und Entnahme von Waren in besonders platzsparender Weise. Beide Systeme nutzen die Höhe des Gebäudes effizient aus, weisen jedoch unterschiedliche konstruktive Eigenschaften auf.

In beiden Fällen entstehen besondere Herausforderungen im Brandschutz: begrenzte Zugänglichkeit, hohe Brandlasten auf kleiner Fläche, erheblicher Materialumschlag und der Einsatz von Elektronik und Antrieben innerhalb der Lagerbereiche.

 

Zielsetzung der VDI 3564 Blatt 1

Die VDI 3564 Blatt 1 verfolgt das Ziel, präventive und schützende Maßnahmen zu definieren, die das Risiko von Bränden in Hochregalanlagen und ähnlichen Systemen – wie Lagerliften – minimieren. Dabei steht die Erarbeitung eines ganzheitlichen Brandschutzkonzepts im Vordergrund, das sowohl bauliche als auch technische und organisatorische Maßnahmen integriert.

Zielgruppen sind Betreiber, Planer, Architekten, Errichter von Lagereinrichtungen sowie Fachplaner für Brandschutz. Die Richtlinie richtet sich auch an Unternehmen, die bestehende Anlagen modernisieren oder in bestehende Gebäude neue Lagertechnik integrieren wollen.

 

Brandrisiken in Hochregalanlagen und Lagerliften

Brände in Hochregallagern und Lifttürmen entwickeln sich meist sehr schnell und bleiben zunächst unbemerkt. Die dichte Stapelung von Waren sowie das häufig eingesetzte Verpackungsmaterial, wie Kartonagen, Kunststoffe und Folien, bilden eine erhebliche Brandlast. Lagerlifte enthalten darüber hinaus meist elektronische Komponenten, Antriebsmotoren und Steuerungseinheiten, die potenzielle Zündquellen darstellen.

Typische Brandrisiken umfassen:

  • Elektrische Defekte in Förder- und Lagertechnik

  • Überhitzung von Antriebseinheiten, Steuerungen oder Kompaktlagereinheiten

  • Reibungshitze durch defekte Rollen oder Getriebe

  • Brandausbreitung durch brennbare Verpackungen, Paletten oder Lagergut

  • Selbstentzündung bei der Lagerung bestimmter Materialien (z. B. Textilien, Batterien, Gefahrstoffe)

  • Eingeschränkte Zugänglichkeit für Brandbekämpfungskräfte

Diese Risiken machen deutlich, dass ein Standardkonzept für konventionelle Lagerräume nicht ohne Weiteres auf Hochregallager oder Lagerlifte übertragbar ist.

 

Anforderungen an den baulichen Brandschutz

Ein zentrales Element der VDI 3564 Blatt 1 ist der bauliche Brandschutz. Hierzu zählen konstruktive Maßnahmen, die die Brandausbreitung begrenzen und Flucht- sowie Rettungswege sicherstellen. Für Hochregalanlagen und Lagerlifte bedeutet dies unter anderem:

  • Bildung getrennter Brandabschnitte durch Brandschutzwände oder feuerbeständige Einhausungen

  • Rauch- und Wärmeabzugsmöglichkeiten zur Unterstützung der Brandbekämpfung

  • Einhaltung ausreichender Abstände zu Gebäudeteilen oder benachbarten Anlagen

  • Installation feuerbeständiger Türen, Klappen und Zugänge

  • Nutzung schwer entflammbarer Baustoffe bei Einbauten und Regalen

  • Abschottung von Kabel- und Leitungstrassen

Lagerlifte, die häufig in bestehende Gebäude integriert werden, müssen in eine brandschutztechnische Hülle eingebaut werden, um den angrenzenden Bereich zu schützen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Revisionsöffnungen, Türen und Wartungsluken brandschutztechnisch gesichert sind.

 

Technischer Brandschutz

Neben baulichen Aspekten nimmt die Richtlinie auch den technischen Brandschutz in den Fokus. Ziel ist es, Brandereignisse frühzeitig zu erkennen und automatisiert einzudämmen.

Empfohlene Maßnahmen sind:

  • Installation von automatischen Brandmeldeanlagen mit punktförmigen Rauch- oder Wärmemeldern

  • Verwendung von linearen Rauchmeldern oder Ansaugrauchmeldern für schwer zugängliche Bereiche

  • Integration von Wärmebildkameras zur Detektion technischer Überhitzungen

  • Einsatz von stationären Löschanlagen, insbesondere Sprinkleranlagen oder Gaslöschsysteme

  • Automatische Abschaltung von Fördertechnik und Lagerliften bei Brandmeldung

  • Brandschutzklappen zur Trennung von Luftkanälen und Schachtverbindungen

In Lagerliften kommen aufgrund der beengten Platzverhältnisse häufig Aerosollöschsysteme zum Einsatz. Diese eignen sich besonders für kompakte elektrische Betriebseinheiten, Steuerungskammern oder Antriebsräume. Für größere Lifttürme können auch Sprühwasserlöschanlagen in Erwägung gezogen werden.

 

Organisatorischer Brandschutz

Ein wirksames Brandschutzkonzept beinhaltet auch organisatorische Maßnahmen. Diese tragen maßgeblich dazu bei, Risiken frühzeitig zu erkennen und im Ereignisfall effektiv zu reagieren. Die VDI 3564 Blatt 1 empfiehlt hierzu unter anderem:

  • Erstellung und Pflege eines Brandschutzkonzepts unter Berücksichtigung aller Anlagenteile

  • Schulung des Personals in Bezug auf Brandmeldeanlagen, Löschsysteme und Evakuierungsmaßnahmen

  • Durchführung regelmäßiger Brandschutzunterweisungen und Übungen

  • Definition von Verantwortlichkeiten für Wartung, Inspektion und Überwachung

  • Zugriffsregelungen für besonders gefährdete Bereiche (z. B. elektrische Steuerungen, Batterielager)

  • Ordnung und Sauberkeit als präventive Maßnahme gegen Brandlastanhäufung

Gerade bei automatisierten Lagerliften ist die Reaktionszeit auf Störungen entscheidend. Regelmäßige Prüfungen, insbesondere bei älteren Anlagen, erhöhen die Betriebssicherheit und beugen Brandauslösern vor.

 

Wartung und Instandhaltung

Die Betriebssicherheit der Brandschutzsysteme steht und fällt mit der regelmäßigen Wartung. Die VDI 3564 Blatt 1 empfiehlt daher:

  • Turnusmäßige Inspektion der Brandmelde- und Löschsysteme durch geschultes Fachpersonal

  • Probeläufe der Löschanlagen unter realistischen Bedingungen

  • Überprüfung der Energieversorgung und Notstromsysteme

  • Kontrolle von Durchgängigkeit der Flucht- und Rettungswege

  • Überwachung und Dokumentation aller Prüfmaßnahmen

Für Lagerlifte gilt zusätzlich: Technische Komponenten wie Antriebe, Steuerungen und Sensoren müssen regelmäßig gereinigt und geprüft werden, um Brandgefahren durch Staub, Überhitzung oder mechanischen Verschleiß zu minimieren.

 

Integration in bestehende Sicherheitskonzepte

Die Umsetzung der VDI 3564 Blatt 1 sollte nicht isoliert, sondern im Rahmen eines übergeordneten Sicherheitsmanagements erfolgen. Dies beinhaltet die Abstimmung mit:

  • der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung

  • externen Einsatzkräften (Feuerwehr, Werkschutz)

  • Versicherern

  • Behörden (z. B. Bauaufsicht, Brandschutzdienststellen)

Insbesondere bei Umbauten oder Nachrüstungen in bestehenden Lagern sollte die Einhaltung der Richtlinie von Beginn an mitgeplant werden. Für Lagerlifte gilt, dass die Nachrüstung technischer Brandschutzmaßnahmen oft einfacher ist als bei großflächigen Hochregalanlagen.

 

Fazit

Die VDI 3564 Blatt 1 ist ein zentrales Regelwerk für den Brandschutz in Hochregalanlagen und kann auch auf Lagerlifte angewendet werden, sofern dies konstruktiv und nutzungsbezogen sinnvoll ist. Sie bietet ein strukturiertes Vorgehen zur Identifikation von Risiken, zur Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen und zur Integration in den betrieblichen Alltag.

Die hohen Brandschäden, die durch unzureichenden Schutz in Lagerbereichen entstehen können, machen die Umsetzung der Richtlinie zu einem wirtschaftlich und sicherheitstechnisch sinnvollen Schritt. Wer frühzeitig in vorbeugenden Brandschutz investiert, sichert nicht nur Menschenleben und Sachwerte, sondern auch die langfristige Funktionsfähigkeit seiner logistischen Infrastruktur.

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