In modernen industriellen Produktionsanlagen kommt eine Vielzahl komplexer Maschinen und automatisierter Lagersysteme zum Einsatz. Darunter zählen insbesondere Werkzeugmaschinen wie CNC-Fräsen, Drehmaschinen oder Bearbeitungszentren ebenso wie automatisierte Lagerlifte und Regalsysteme, die eine effiziente Materialbereitstellung ermöglichen. Diese Kombination aus hochpräziser Technik, brennbaren Materialien, elektrischen Energiequellen und teilweise auch thermischen Bearbeitungsverfahren birgt erhebliche Brandrisiken. Um diese systematisch zu erkennen und beherrschbar zu machen, liefert die DIN EN ISO 19353 einen umfassenden Rahmen zur Brandschutzbewertung und -planung an Maschinen.
Die DIN EN ISO 19353 „Sicherheit von Maschinen – Brandschutz“ stellt eine international harmonisierte Norm dar, die sich mit dem Schutz vor Brandentstehung und Brandausbreitung an Maschinen beschäftigt. Sie gilt nicht nur für Maschinenhersteller, sondern richtet sich auch an Betreiber, Integratoren und Planer von Produktionsanlagen. Ihr Ziel ist es, durch gezielte Maßnahmen Brände zu verhindern, frühzeitig zu erkennen, in ihrer Ausbreitung zu begrenzen und sicher zu bekämpfen.
Sie ist besonders relevant für:
Werkzeugmaschinen mit Kühl- und Schmiermitteln
Maschinen mit hoher thermischer oder elektrischer Belastung
Automatisierte Lagerlifte mit elektrischen und mechanischen Antrieben
Lagersysteme mit brennbaren Materialien (z. B. Kunststoffe, Kartonagen)
Verkettete Fertigungszellen mit Energiezufuhr über mehrere Schnittstellen
Bei Lagerliften besteht die Gefahr primär in der Kombination aus elektrischen Zündquellen (Steuerungen, Motoren), brennbaren Lagergütern (z. B. Kunststoffboxen, Verpackungen, Kleinteile mit Schmierstoffen) und eingeschränkter Zugänglichkeit im Brandfall. Die vertikale Struktur und geschlossene Bauweise fördern eine schnelle Brandausbreitung.
Werkzeugmaschinen bringen andere, jedoch nicht minder gefährliche Risiken mit sich. Dazu gehören unter anderem:
Funkenbildung und heiße Späne bei der Metallbearbeitung
Entflammbare Kühlschmierstoffe (insbesondere beim Einsatz von Ölbasierten KSS)
Thermische Prozesse wie Bohren, Fräsen oder Schleifen
Mechanische Störungen wie Lagerschäden oder Antriebsüberlastung
Schwelbrände durch Ablagerungen von Spänen, Ölnebel oder Staub
Diese Gefährdungen machen eine durchdachte Brandschutzstrategie notwendig, die technische, organisatorische und bauliche Aspekte berücksichtigt – im Einklang mit der DIN EN ISO 19353.
Die Norm folgt einem systematischen Ansatz, der sich in vier Stufen gliedert:
1. Vermeidung der Brandentstehung
Das primäre Ziel besteht darin, die Entstehung eines Feuers von vornherein zu verhindern. Dies wird erreicht durch:
Wärmequellenkontrolle: Temperaturüberwachung von Lagern, Motoren, Vorschubantrieben
Verzicht auf brennbare Materialien in Gehäusen, Abdeckungen oder Transportbehältern
Einsatz funkenfreier Werkstoffe bei Werkstückträgern oder Klemmsystemen
Reinigungskonzepte zur Vermeidung von Öl-/Späneakkumulationen in Werkzeugmaschinen
Einzelraumabsicherung bei Lagerliften: z. B. durch feuerbeständige Schachtverkleidung
2. Früherkennung und Alarmierung
Entsteht dennoch eine thermische Anomalie oder ein Entzündungsvorgang, muss dieser frühzeitig erkannt werden:
Flammenmelder oder optische Sensoren in Maschineninnenräumen
Rauch- und Wärmemelder in Aufzugs- oder Lagerliftschächten
Sensorik zur Temperaturüberwachung an Elektromotoren, Spindeln, Kühlaggregaten
Gasdetektoren für austretende Dämpfe oder Gase in Schaltschränken
Schnittstelle zur Brandmeldeanlage (BMA) zur Weiterleitung an Leitstelle oder Feuerwehr
Insbesondere bei CNC-Maschinen mit Ölnebelabsaugung sollten Detektoren auch in Filteranlagen installiert werden, da dort Rückzündungen auftreten können.
3. Begrenzung der Brandausbreitung
Ein Brand, der sich ungehindert ausbreiten kann, ist in der Regel kaum noch kontrollierbar. Die Norm fordert daher Maßnahmen zur Begrenzung:
Feuerhemmende Einhausung von Maschinen oder Lagereinheiten
Einbau von Brandabschottungen zwischen angrenzenden Bereichen
Verhinderung horizontaler Ausbreitung über Fördertechnik oder Lagerlifte
Brandschutzklappen in Absaugleitungen
Rauch- und Wärmeabzugsanlagen in hallenartigen Produktionsbereichen
Trennung von Werkzeugmaschinen mit Ölnebel von anderen Bereichen
Eine besondere Rolle spielen dabei sogenannte Brandlastbarrieren, z. B. bei hochregallagernahen Lagerliften, die eine Feuerweiterleitung in andere Stockwerke oder Räume verhindern.
4. Brandbekämpfung
Sollte es trotz aller Maßnahmen zu einem Brand kommen, müssen geeignete Löschsysteme zur Verfügung stehen:
Automatische Löschsysteme in Werkzeugmaschinen: z. B. CO₂, Stickstoff oder Aerosol
Sprühwasserlöschanlagen bei größeren Lagerliften mit Verpackungsmaterialien
Tragbare Feuerlöscher mit geeigneten Löschmitteln (Pulver, Schaum, CO₂) in Nähe aller Gefahrenquellen
Zentral gesteuerte Not-Aus-Systeme, um die Anlage im Brandfall sofort abzuschalten
Zugängliche Handmelder und Notfallbeleuchtung zur Evakuierung und Alarmierung
Viele moderne CNC-Bearbeitungszentren sind bereits mit sensorgesteuerten Löschanlagen ausgestattet, die den Maschineninnenraum in wenigen Sekunden vollständig fluten können – ohne die Anlage dauerhaft zu beschädigen.
Bei Werkzeugmaschinen gelten erweiterte Anforderungen:
Kühlmittelüberwachung: Flüssigkeiten mit Flammpunkt unter 100 °C sind kritisch
Späneförderer-Brandschutz: heißes Material kann sich dort sammeln und entzünden
Innenraumabsaugung: Rückstände in Filtern oder Leitungen können brennbar sein
Schutz vor Rückzündung aus Filteranlagen oder Abscheidern
Absicherung der Energieversorgung (Strom, Hydraulik, Pneumatik) mit Not-Abschaltung
Diese Punkte machen deutlich, dass der Brandschutz bei Werkzeugmaschinen nicht auf bauliche Aspekte beschränkt sein darf, sondern integraler Bestandteil von Planung, Betrieb und Instandhaltung sein muss.
Die technische Umsetzung allein reicht nicht aus – auch die organisation des Brandschutzes spielt eine zentrale Rolle:
Regelmäßige Unterweisung aller Mitarbeitenden im Verhalten bei Bränden
Benennung von Brandschutzhelfern und -beauftragten
Wartungspläne für Maschinen und Löschanlagen
Dokumentation von Störungen, Auslösungen und Nachrüstungen
Integration der Anforderungen in Gefährdungsbeurteilungen und Betriebsanweisungen
Ein wichtiger Aspekt ist die Zugänglichkeit der Maschinen im Ernstfall: Sind Türen verriegelt? Können Maschinen im Notfall elektrisch und pneumatisch deaktiviert werden? Sind Feuerwehrlaufkarten vorhanden?
Die DIN EN ISO 19353 stellt einen zentralen Baustein im betrieblichen Brandschutzkonzept dar – insbesondere in Produktionsumgebungen mit hohem Automatisierungsgrad, wie bei Lagerliften, Regalsystemen und Werkzeugmaschinen. Ihre strukturierte Herangehensweise ermöglicht es, Gefahren frühzeitig zu identifizieren, gezielt gegenzusteuern und die Sicherheit von Menschen, Sachwerten und Betriebsfähigkeit nachhaltig zu gewährleisten.
Wer die Norm konsequent umsetzt, schafft nicht nur eine gesetzeskonforme Betriebsumgebung, sondern erhöht auch die Betriebssicherheit und senkt das Risiko existenzbedrohender Brände – durch Prävention, Früherkennung und Reaktionsfähigkeit gleichermaßen.