Die DIN EN ISO 12100 stellt das grundlegende Rahmenwerk zur Maschinensicherheit dar. Sie definiert die grundlegenden Gestaltungsleitsätze zur Risikobeurteilung und Risikominderung für Maschinen und Anlagen. Als sogenannte Typ-A-Norm ist sie die zentrale Basisnorm für alle weiteren Sicherheitsnormen in der Maschinenrichtlinie und damit für jeden Maschinenhersteller oder Betreiber von zentraler Bedeutung.
In Betrieben mit automatisierten Werkzeugmaschinen, Lagerliften oder komplexen Förder- und Regalsystemen ist die Anwendung dieser Norm ein wesentlicher Bestandteil der technischen Sicherheit – und ein unverzichtbares Werkzeug, um Gefährdungen, Unfälle und Brände systematisch zu verhindern.
Ziel der DIN EN ISO 12100 ist es, bereits in der Konstruktion und Auslegung von Maschinen alle möglichen Gefährdungen zu erkennen und durch technische, organisatorische oder informationstechnische Maßnahmen zu beseitigen oder zu minimieren. Die Norm dient dabei sowohl dem:
Hersteller, der eine Maschine erstmalig baut oder in Verkehr bringt,
als auch dem Betreiber, der Umbauten vornimmt oder Altanlagen anpasst.
Gerade bei Werkzeugmaschinen wie CNC-Fräsen, Drehmaschinen, Bearbeitungszentren oder automatisierten Lagersystemen wie Lagerliften, Shuttlesystemen oder Regalbediengeräten besteht ein hohes Gefährdungspotenzial durch:
mechanische Bewegungen,
elektrische Energie,
thermische Einflüsse,
Schnittverletzungen,
Einzugs- oder Quetschgefahren,
und nicht zuletzt Brand- und Explosionsgefahren.
Die DIN EN ISO 12100 fordert, dass alle Gefährdungen über den gesamten Lebenszyklus einer Maschine betrachtet werden – von der Konstruktion über die Inbetriebnahme, Nutzung, Wartung bis zur Außerbetriebnahme.
Die Norm ist in drei Hauptbereiche gegliedert:
Allgemeine Grundsätze
Risikobeurteilung
Risikominderung
Diese Struktur bildet die Grundlage für jede Sicherheitsbetrachtung. Für Lagerlifte und Werkzeugmaschinen bedeutet das: Noch bevor der erste Schaltschrank verdrahtet oder das erste Bauteil gefertigt wird, muss eine systematische Analyse aller potenziellen Gefahren durchgeführt und dokumentiert werden.
Die Risikobeurteilung ist der zentrale Prozessschritt. Sie besteht aus:
Festlegen der Grenzen der Maschine
Identifikation der Gefährdungen
Risikoeinschätzung
Risikobewertung
1. Festlegen der Grenzen der Maschine
Dabei werden der Einsatzbereich, die Zielgruppe (z. B. Fachpersonal vs. Laienbediener), der Standort und die Umgebungsbedingungen definiert. Bei einem Lagerlift z. B.: Wird er in einer staubigen Werkhalle eingesetzt oder in einem sauberen Reinraum? Werden entflammbare Stoffe gelagert?
2. Identifikation der Gefährdungen
Hier werden alle potenziellen Gefährdungen systematisch erfasst – mechanisch, elektrisch, thermisch, chemisch oder durch Brandgefahr. Für Werkzeugmaschinen sind typische Gefahren: rotierende Werkzeuge, heiße Späne, plötzlicher Werkzeugbruch, Kurzschlüsse, Öllecks.
3. Risikoeinschätzung
Die Wahrscheinlichkeit des Eintretens und die mögliche Schwere der Verletzung werden bewertet. Beispiel: Ein nicht geschlossener Zugang zu einem Hochregallager mit automatischem Lift stellt eine erhebliche Gefahr für Personenschäden dar.
4. Risikobewertung
Es wird entschieden, ob das Risiko akzeptabel ist oder durch Maßnahmen reduziert werden muss.
Wenn Risiken nicht akzeptabel sind, greift das in der Norm beschriebene Drei-Stufen-Prinzip zur Risikominderung:
Inhärent sichere Konstruktion
Gefahren sollen möglichst durch die Bauweise ausgeschlossen werden. Beispiel: Ein Lagerlift wird so konstruiert, dass Bediener niemals mit der Hubmechanik in Berührung kommen.
Technische Schutzmaßnahmen
Wenn Gefahren nicht vollständig durch Konstruktion vermieden werden können, müssen technische Schutzvorrichtungen wie Lichtschranken, Verriegelungen oder Not-Aus-Schalter eingebaut werden.
Benutzerinformation / Organisatorische Maßnahmen
Hinweise, Warnschilder und Betriebsanleitungen als letzte Stufe der Risikoreduktion. Auch regelmäßige Unterweisungen gehören dazu.
Für einen automatisierten Lagerlift könnten diese Maßnahmen wie folgt aussehen:
Stufe 1: Konstruktion mit vollständig geschlossener Hubmechanik
Stufe 2: Lichtschranke zur Erkennung von Personen im Ladebereich
Stufe 3: Warnaufkleber „Nicht betreten bei offener Tür“, regelmäßige Sicherheitsunterweisungen
Obwohl die DIN EN ISO 12100 keine reine Brandschutznorm ist, stellt sie klar: Thermische Gefährdungen und Brandrisiken müssen explizit berücksichtigt werden – sowohl durch elektrische Komponenten als auch durch heiße Oberflächen, Reibung, austretende Schmiermittel oder brennbare Lagergüter.
Insbesondere in Lagerliften, in denen Kunststoffe, Papier, Aerosole oder Chemikalien gelagert werden, müssen Brandrisiken berücksichtigt werden:
Inhärente Maßnahmen: Nicht brennbare Baustoffe für Wände und Komponenten
Technische Maßnahmen: Einbau von Rauchmeldern, thermischen Auslösern oder Sprinklern
Organisatorische Maßnahmen: Kein Lagern von Gefahrstoffen in sensiblen Bereichen
Auch bei Werkzeugmaschinen wie Fräs- oder Drehmaschinen ist Brandschutz wichtig: Werkzeugbrüche, heiße Werkstücke oder Ölnebel können entzündlich wirken. Hier helfen:
Brandschutzverglasung in der Maschinenumhausung
Temperaturüberwachung in Antriebseinheiten
Brandmeldeanbindung an zentrale Systeme
Ein produzierendes Unternehmen setzt einen Lagerlift zur Materialbereitstellung in der CNC-Fertigung ein. Die DIN EN ISO 12100 dient als Grundlage zur Risikobewertung:
Grenzen: Eingesetzt in Umgebung mit Öldämpfen, Bedienung durch Facharbeiter
Gefährdungen:
Quetschgefahr durch Hubmechanik
Absturz von Ladung bei Stromausfall
Brand durch Lagerung brennbarer Kunststoffe
Stromschlag durch defekte Steuerung
Risikominderung:
Hubmechanik vollständig gekapselt (inhärent sicher)
Not-Halt-Taster, Lichtgitter, redundante Endlagenüberwachung (technisch)
Betriebsanweisung „Brandlasten nur auf Etage X“, jährliche Prüfung (organisatorisch)
Bei Werkzeugmaschinen ist die DIN EN ISO 12100 besonders relevant, da hier eine Vielzahl von Gefährdungen bestehen, z. B.:
Zugang zu rotierenden Werkzeugen
Trennung von Mensch und Maschine (Sicherheitsverriegelungen)
Schutz vor Späneflug und heißem Kühlmittel
Minimierung der Brandlast (z. B. durch Kühlmittelentzündung)
Durch Anwendung der Norm entstehen klare Maßnahmenpläne, die auch ältere Maschinen nachrüsten können – z. B. durch Nachrüstung von Schutzumhausungen oder Temperaturüberwachung.
Die DIN EN ISO 12100 ist der zentrale Maßstab zur systematischen Risikobeurteilung und -minderung bei Maschinen. Sie bietet ein praxisnahes, strukturiertes Vorgehen, um Sicherheitsrisiken frühzeitig zu erkennen und gezielt zu beseitigen – mit besonderem Fokus auf Konstruktion, Betrieb und Wartung.
Für Betriebe mit Lagerliften, automatisierten Regalsystemen und Werkzeugmaschinen ist die Norm ein unverzichtbares Instrument, um nicht nur rechtssicher zu handeln, sondern auch Brandschutz, Personensicherheit und Anlagenverfügbarkeit ganzheitlich zu garantieren.